Kann man Gedanken lesen lernen?

Ist es möglich, die Gedanken eines anderen Menschen zu lesen? Was absurd klingt, ist in Wahrheit gar nicht so schwer. Mit einigen Tricks können wir weit mehr über unser Gegenüber erfahren, als vielen Menschen bewusst ist.

Ein Dienstagabend im Jahr 2008. In einer Fernsehshow zeigen Nachwuchs-Mentalisten ihr Können. Kandidat Leo Martin lässt die Sängerin Senna ein Bild malen.

Was sie zeichnet, kann er nicht sehen – doch in ihren Gedanken kann er es lesen, angeblich. Während Senna ihr Bild verdeckt hält, konzentriert sich Leo Martin kurz – dann zeichnet er ein Haus mit einem Schornstein, aus dem Rauch aufsteigt. Die Bilder werden verglichen und die Überraschung ist groß: Das gleiche Haus hatte auch die Sängerin gezeichnet. Wie ist das möglich? Konnte Leo Martin in ihren Gedanken lesen, was sie malen würde?

Thinkstock/Stockbyte
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Jeder kann es lernen

Viele Menschen träumen davon, die Gedanken anderer lesen zu können. Ob in der Gehaltsverhandlung oder in der Partnerschaft, kaum jemand würde nicht gern einmal einen Blick in die Köpfe anderer riskieren. Was mystisch klingt, ist in Wahrheit gar nicht so schwer. Hinter den scheinbar erstaunlichen Fähigkeiten der Gedankenleser stecken simple Methoden, die jeder lernen kann.

Vieles von dem, was wir denken, ist für andere sichtbar. Mimik, Gestik und Körperhaltung verraten weit mehr über uns, als uns bewusst ist. Und jeder Mensch besitzt die Fähigkeit, diese nonverbalen Signale zu deuten: Sie ist uns angeboren und wichtiger Bestandteil menschlicher Kommunikation. Wer seine Mitmenschen aufmerksam beobachtet, kann spüren, was in ihnen vorgeht – ganz ohne übersinnliche Fähigkeiten. „Es ist tatsächlich so einfach“, sagt Thorsten Havener, Deutschlands wohl bekanntester Gedankenleser und Mentalmagier. „Die Gedanken, die wir haben, haben Auswirkungen auf unseren Körper. Alles, was Sie tun müssen, ist, genau hinzuschauen.“

Aus dem Gesicht gelesen

Siebzig Prozent aller Informationen über andere beziehen wir aus ihrem Gesicht. Mimik ist eine der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten. Dank 26 verschiedener Muskeln wie dem Augenbrauenrunzler, dem Oberlippenheber oder dem Mundwinkelherabzieher sind wir zu etwa 7.000 Gesichtsausdrucken fähig. Der US-amerikanische Psychologe Paul Ekman katalogisierte in einem Großprojekt sämtliche sichtbaren Bewegungen und entwickelte darauf aufbauend ein Erkennungssystem, das Facial Action Coding System. Mit diesem System ist es zum Beispiel möglich, ein echtes von einem falschen Lachen zu unterscheiden: Bei einem aufgesetzten Lächeln, das übrigens zu Ehren der Stewardessen einer amerikanischen Fluglinie „PanAm-Lächeln“ getauft wurde, bilden sich um das Auge herum keine Falten.

Interessante Hinweise auf unsere Gedankengänge lassen sich aus unseren Augenbewegungen ablesen. Augen werden häufig als „Spiegel der Seele“ bezeichnet. In der Neurolinguistischen Programmierung gelten sie als Indikator dafür, auf welche Bereiche unseres Gedächtnisses wir gerade zugreifen wollen. Dieser Kommunikationstheorie zufolge blicken rund achtzig Prozent aller Menschen beispielsweise nach rechts oben, wenn sie eine tatsächliche visuelle Erinnerung wachrufen, nach links oben dagegen, wenn sie sich ein Bild ausdenken. Dadurch sollen sich Lügner entlarven lassen.

Das Hypnose-Experiment

Funktioniert Hypnose wirklich oder ist alles nur fauler Zauber? Welt der Wunder wagt den Selbstversuch: ein Hypnotiseur soll selbst die skeptischsten Kollegen zu einem willenlosen Werkzeug seiner Befehle machen und deren Geist kontrollieren.

Unbewusste Bewegungen

Ekman wiederum glaubt, dass sich Lügner durch so genannte Mikrobewegungen verraten, unwillkürliche spontane Regungen im Gesicht. Solche Mikrobewegungen laufen im Bruchteil einer Sekunde ab und sind für das bloße Auge kaum sichtbar. Schuld daran ist das Limbische System in unserem Gehirn, das für die Verarbeitung von Emotionen zuständig ist. Mit purem Willen lassen sich Mikrobewegungen kaum verhindern – deshalb gelten sie als Indikator für unterdrückte Gefühle. Ob sich so aber tatsächlich Lügen aufdecken lassen, ist wissenschaftlich umstritten. Denn gerade in polizeilichen Verhören können auch Stress oder Nervosität Auslöser für die unbewussten Regungen sein. Die Angst eines Lügners, entlarvt zu werden, sieht genauso aus wie die Angst des Unschuldigen, dem nicht geglaubt wird. Emotionen richtig zu lesen, lässt sich lernen – sie zu deuten ist jedoch weitaus schwieriger.

Auch die Körpersprache gibt nicht immer eindeutige Hinweise auf die Gedanken eines Gegenübers. Verschränkt jemand die Arme vor der Brust, kann das Ablehnung signalisieren, aber auch aus Bequemlichkeit heraus geschehen. „Die Körperhaltung e per se verrät noch nicht so viel“, sagt Thorsten Havener, „spannend wird es immer dann, wenn sie sich ändert.“ Wer verstehen will, was in seinem Gegenüber vorgeht, sollte ihn deshalb über einen längeren Zeitraum hinweg beobachten und Umstände miteinbeziehen. Nicht nur offensichtliche Signale wie die Kopfhaltung oder Armbewegungen sind dabei von Bedeutung. Schon minimale, für ungeübte Beobachter kaum wahrnehmbare Bewegungen geben Hinweise. Wer zum Beispiel intensiv an einen Gegenstand rechts von ihm denkt, lehnt sich unwillkürlich einige Millimeter zur Seite.

Unbewusste Signale

Solche unbewussten Signale, die unser Körper aussendet, werden „Body Tells“ genannt. Sie sind Ausdruck unserer inneren Befindlichkeit. Joe Navarro, der sich während seiner Karriere als FBI-Agent auf nonverbale Kommunikation spezialisiert hat, ist sich zum Beispiel sicher: „Nicht unser Gesicht ist der ehrlichste Teil unseres Körpers, sondern unsere Füße. Das ist evolutionsbedingt – sie mussten bei Gefahr als erstes reagieren.“ Navarro nutzt sein Wissen heute, um die Strategien erfolgreicher Pokerspieler zu analysieren. Zeigen die Zehen etwa nach innen, ist jemand unsicher. Diese Veränderung der Körperhaltung ist bis in die Schultern hinauf sichtbar: Auch sie ziehen sich zusammen. Navarro kann anhand solcher Body Tells erkennen, ob jemand tatsächlich ein gutes Blatt hat oder nur blufft. Wer Mentalisten wie Thorsten Havener in Aktion sieht, staunt oft, wie gut sie scheinbar über ihre Mitmenschen Bescheid wissen. Grund dafür ist nicht nur eine feine Beobachtungsgabe und die richtige Interpretation von Mimik, Gestik und Körpersprache, sondern auch eine spezielle Gesprächstechnik, die „Cold Reading“ genannt wird. Beim Cold Reading suggeriert ein Fragensteller seinem Interviewpartner, sehr viel über ihn zu wissen, obwohl er in Wahrheit keine Ahnung hat. Dahinter steckt schlicht: Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Vom Allgemeinen…

Eine Technik des Cold Reading besteht darin, möglichst viele Allgemeinplätze zu verwenden, also Aussagen, die die meisten Menschen für sich als zutreffend empfinden. „Manchmal haben Sie das Gefühl, nicht zeigen zu können, was in ihnen steckt“, könnte ein solcher Satz lauten, oder auch: „Die Erfahrungen, die Sie in Ihrem Leben gemacht haben, haben Sie erst zu dem gemacht, was Sie heute sind.“ Auch Komplimente wie „Sie haben Humor“ oder „Im Grunde Ihres Herzens sind Sie ein ehrlicher Mensch“ würde niemand zurückweisen. Die Neigung von uns Menschen, eigentlich allgemein gehaltene Aussagen trotzdem als zutreffend zu empfinden, ist in der Psychologie als „Barnum-Effekt“ bekannt. Aus diesem Grund sind auch Horoskope so beliebt: Fast jeder Leser fühlt sich angesprochen. Und Menschen, die sich verstanden fühlen, öffnen sich dem Gesprächspartner von selbst.

… zum Konkreten

Wird die schwammige Ebene dann verlassen, greift eine zweite Technik des Cold Reading: Wird dem Gesprächspartner nur eine genügend große Anzahl an Optionen angeboten, so ist zumindest eine zutreffende Aussage dabei. Ein Satz wie „Sie sind gern in der Stadt unterwegs, lieben aber auch die Natur“ beinhaltet zwei Möglichkeiten, von denen mindestens eine, wenn nicht sogar beide zutreffend sein werden. Je nachdem, bei welchem Teil der Aussage der Gesprächspartner die größte Zustimmung signalisiert, kann der Fragesteller einhaken. „Ja, die Natur, da gehen Sie gerne spazieren oder radfahren…“ Schritt für Schritt gelangt er so zu einer scheinbar überraschend zutreffenden Aussage über den anderen. Die Technik des Cold Reading nutzen auch Wahrsager oder Verkäufer.

Neuromarketing: So wird unser Gehirn manipuliert

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Der Statistik sei Dank

Doch wie ist es möglich, dass Gedankenleser einer anderen Person ganz spezifische Dinge auf den Kopf zusagen können? Hier kommt ihnen die Statistik zu Hilfe. Vielleicht kennen Sie folgenden Psychotest: Nennen Sie ganz spontan, ohne nachzudenken, eine Farbe und ein Werkzeug! Was ist Ihnen eingefallen – möglicherweise „Rot“ und „Hammer“? Wenn ja, ging es Ihnen wie den meisten Menschen – etwa 98 Prozent nennen diese beiden Antworten. Warum das so ist, darüber diskutieren Psychologen noch. Vermutlich bildet unser Gedächtnis Kategorien, für welche die genannten Begriffe als Prototypen fungieren und deshalb bei spontanen Fragen zuerst abgerufen werden.

Wer die menschliche Psychologie und solche Statistiken kennt, kann also gefahrlos konkret werden – die Gefahr, daneben zu liegen, ist äußerst gering. So lässt sich auch erklären, warum der Nachwuchs-Mentalist Leo Martin die Zeichnung der Sängerin Senna erkannte: Die meisten Menschen, die spontan ein Bild malen sollen, tendieren zu solchen Prototypen wie einem Haus mit Schornstein, vielleicht auch einem Auto oder einem Gesicht.

Die Macht der Suggestion

Für Laien am schwersten zu durchschauen sind Tricks, bei denen ein Gedankenleser seinem Gegenüber die Antwort quasi „unterschiebt“. Der englische Mentalmagier Derren Brown, der durch seine Show „Mind Control“ weltweit berühmt wurde, zeigt in einem Experiment eindrucksvoll, wie das funktioniert. Er lud einen Kandidaten zu sich ein und gab vor zu wissen, was dieser sich zum Geburtstag wünscht. Der Kandidat hatte seinen Wunsch zuvor auf einen Zettel notiert und versteckt. Am Ende des Gesprächs nannte er dann ein BMX-Rad – und das war tatsächlich das, was Brown für ihn vorbereitet hatte. Allerdings: Auf dem Zettel hatte der Kandidat – zu seiner eigenen Überraschung – eine Lederjacke notiert. Brown hatte ihm das BMX-Rad suggeriert, indem er im Verlauf des Gesprächs zahlreiche Worte benutzte, die wie „BMX“, „Fahrrad“ oder alles, was damit im weitesten Sinne zu tun hatte, klangen. Durch diese Sprachmuster hatte er seinen Kandidaten in einen tranceähnlichen Zustand versetzt – eine Methode, die auch in der Hypnose Anwendung findet.Uri Geller behauptet von sich selbst, übersinnliche Fähigkeiten zu haben.

„Man kann nicht jemanden interpretieren, mit dem man nicht interagiert“, sagt der US-amerikanische Psychoanalytiker Michael Moskowitz. Will man spüren, was in anderen vorgeht, genügt es nicht, allein ihr Äußeres zu betrachten oder sich auf eine gezielte Gesprächstechnik zu verlassen. Erst wenn sich der Gedankenleser zu seinem Gesprächspartner in Beziehung setzt, wenn ein Zusammenspiel entsteht, offenbaren sich die wahren Geheimnisse.

Den anderen „erspüren“

Interaktion ermöglicht beispielsweise den so genannten Carpenter-Effekt bekannt, auf dem viele Tricks von Mentalmagiern beruhen. Der Magier breitet dazu Gegenstände auf einem Tisch aus und bittet eine Person, in Gedanken einen der Gegenstände zu wählen. Anschließend umfasst er das Handgelenk der Person und bittet sie, ihre Hand nacheinander über die einzelnen Objekte zu halten. Die Person soll ihm nur in Gedanken mitteilen, welchen Gegenstand sie gewählt hat. Dass der Magier diese Gedanken tatsächlich spüren kann, liegt an den ideomotorischen Fähigkeiten unseres Körpers. Das ideomotorische Prinzip besagt, dass gedachte Bewegungen schwache Muskelimpulse auslösen können. Der Gedankenleser kann also tatsächlich eine körperliche Reaktion spüren, wenn seine Versuchsperson an den von ihr gewählten Gegenstand denkt. Mit diesem Effekt lässt sich übrigens auch Pendeln oder Gläserrücken erklären. Die Bewegungen sind allerdings so minimal, dass es viel Übung und äußerste Konzentration erfordert, sie zu erspüren.

Zusammenspiel mehrerer Techniken

Bei den Shows so genannter Mentalisten werden viele der beschriebenen Techniken miteinander verbunden: Aufmerksame Beobachtung des Gegenübers, richtige Deutung von Mimik und Körpersprache, Techniken der Psychologie, Gesprächsführung und Hypnose – nicht zuletzt aber auch sehr viel Zauberkunst. Aus einem Menschen lässt sich zwar mehr herauslesen, als viele glauben, doch auch die beste Technik hat ihre Grenzen. Deshalb arbeiten viele Tricks nach wie vor mit präparierten Umschlägen, Komplizen im Studio oder dem berühmten Knopf im Ohr. Im Gegensatz zu genannten „Psychics“, zu denen etwa Uri Geller gehört, behaupten Mentalisten auch nicht, tatsächlich über übersinnliche Fähigkeiten zu verfügen. Weniger verblüffend sind ihre Tricks deshalb nicht. „Gerade in der Einfachheit“, sagt Thorsten Havener, „liegt eben auch die Raffinesse.“

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